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Spielfilme über historische Ereignisse, Personen und Lebenswelten erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit. Als Teil einer Audio-Visual History modellieren sie filmische Figurationen, die wir in unserer Wahrnehmung zu einem historischen Raum-Zeit-Gefüge transformieren. Diese sinnlich erfahrbaren Histospheres prägen unsere populären Geschichtsvorstellungen besonders wirkungsvoll.

In diesem Buch entwickelt der Filmwissenschaftler Rasmus Greiner ein theoretisch fundiertes Modell der Histosphere. Ausgehend von Praktiken des Modellierens und Wahrnehmens, des Erlebens und Empfindens, des Erfahrens und Erinnerns sowie des Aneignens und Refigurierens verbindet er filmwissenschaftliche Ansätze wie Vivian Sobchacks »Phänomenologie der Filmerfahrung« mit geschichtstheoretischen Begriffen wie der »historischen Erfahrung« nach Frank R. Ankersmit. Die darauf aufbauenden Untersuchungen zur räumlichen und zeitlichen Organisation des Geschichtsfilms werden wiederum verknüpft mit Überlegungen zu Stimmung und Atmosphäre, Immersion und Empathie, Körper und Gedächtnis sowie Genre und Geschichtsbewusstsein.

Als Analysebeispiele dienen drei Geschichtsfilme, die die 1950er Jahre in Deutschland darstellen. Mit Helmut Käutners HIMMEL OHNE STERNE (1955), Jutta Brückners HUNGERJAHRE (1980) und Sven Bohses TV-Dreiteiler KU’DAMM 56 (2016) überspannt die Auswahl mehr als sechs Jahrzehnte und spiegelt so auch verschiedene Erscheinungsformen der Histosphere wider.

Leseproben

Autor*innen

Rasmus Greiner, geboren 1983 in Bonn, ist Researcher für Filmwissenschaft an der Universität Bremen. Nach der Promotion an der Philipps-Universität Marburg zum Thema »Die neuen Kriege im Film« habilitierte er in Bremen mit der Schrift »Histospheres. Zur Theorie und Praxis des Geschichtsfilms«. Aktuell leitet er das DFG-Projekt »Filmkomödie nach den Dritten Reich – Zur politischen Ästhetik der Unterhaltung in Überläuferfilmen«. Er ist zudem General Editor der Zeitschrift »Research in Film and History« (www.film-history.org) sowie Sprecher der AG Filmwissenschaft in der Gesellschaft... [mehr]

Pressestimmen

  • »Die Filmbeispiele sind gut ausgewählt und werden hervorragend mit den theoretischen Überlegungen verknüpft. Sehr lesenswert. Mit Abbildungen in bester Qualität.« (Hans Helmut Prinzler)
  • Rasmus Greiner kombiniert phänomenologische Überlegungen zum Film mit geschichtstheoretischen Arbeiten zur historischen Erfahrung und versteht (Spiel-)Filme als Erfahrungsraum. In diesem Erfahrungsraum werde der Zuschauer(körper) als Ganzes aufgrund der audiovisuellen Modellierung von Geschichte vereinnahmt, wodurch eine subjektive sinnlich-körperliche Erfahrung einer historischen Welt möglich werde. […] Die Analysen […] gelingen sehr facettenreich. Besonders positiv hervorzuheben ist hierbei, dass der Autor die lange vernachlässigte auditive Ebene des Films berücksichtigt und sehr präzise nachweisen kann, wie Ton- und Bildebene miteinander verschränkt sind. […]
    Schlüssig wird anhand von eingängigen Beispielen aufgezeigt, wie vor allem körperliche Erinnerungen die historische Welt des Films als physische Realität erfahrbar machen. So wird sehr deutlich herausgearbeitet, dass es sich um eine produktive Erinnerungsleistung des Zuschauers handelt. Was bisher oftmals medientheoretisch hergeleitet wurde – der Zuschauer, der eine spezifische Form historischer Welt mitkonstruiert –, wird hier schlüssig durch die Verbindung zu erinnerungstheoretischen Modellen erarbeitet. Irrige Annahmen über einfache Reiz-Reaktions-Schemata und Diskurse über ›falsche‹ Repräsentationen in Geschichtsfilmen im Sinne eines ›Abbild-Diskurses‹ sollten damit endgültig und theoretisch fundiert ad acta gelegt werden können. […]
    Greiners Ansätze können insgesamt fruchtbar gemacht werden, um bereits bekannte Analysedimensionen des Geschichtsfilms sowie vor allem deren Verhältnisse zueinander präziser zu untersuchen und die Analysen um neue theoretisch fundierte Begriffe, wie den der Mise-en-histoire, zu erweitern. Darüber hinaus bietet die vorgelegte Theorie Anknüpfungspunkte für narrationstheoretische Diskussionen über das Medium Film und ist somit in hohem Mage anschlussfähig für interdisziplinare Diskurse.« (Britta Wehen, Geschichte für heute, 1/2021)